Die Donauschwaben
von Dr. Wildmann, Hans Sonnleitner, Karl Weber und Herbert Prokle
Jenen deutschen Stamm, der sich beiderseits der mittleren Donau im pannonischen Zentralraum nach der Befreiung Ungarns von der Türkenherrschaft im 18. Jh. aus Einwanderern der südwestdeutschen, aber auch böhmischen und österreichischen Stammlandschaften entwickelte, bezeichnet die Völkerkunde ab den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts als Donauschwaben. Die im selben Raume lebenden slawischen und madjarischen Nachbarn hatten diese Deutschen seit ihrer Ansiedlung „Schwaben“ genannt, und der damit naheliegende neustammliche Terminus Donauschwaben erwies sich auch aus historischer Perspektive als besonders geeignet, da die Kennzeichnung „ungarländische Deutsche“ mit der Aufteilung Großungarns nach 1918 hinfällig geworden war.
Prinz Eugen von Savoyen (1663-1736) entschied 1687 die Schlacht bei Mohács. Als Oberbefehlshaber des kaiserlichen Heeres im Türkenkrieg errang er 1678 den entscheidenden Sieg bei Zenta. (Gemälde um 1735). Quelle: „Tausend Jahre Nachbarschaft – Deutsche in Südosteuropa“
Deutsche lebten schon seit 10. und 11. Jahrhundert im Zuge der bairischen Ostkolonisation im westlichen Ungarn. Im 12. Jahrhundert riefen die ungarischen Könige gezielt Deutsche ins Land, die sich als Karpatendeutsche (heutige Slowakei) und Siebenbürger Sachsen (heutiges Rumänien) in die abendländische Kulturgeschichte einführten.
Nach der Schlacht von Mohatsch 1526, in der die politisch wie religiös expansiv orientierten islamischen Osma-nen siegten und der ungarische König sein Leben verlor, fielen die Königreiche Ungarn und Böhmen aufgrund der dynastischen Erbgesetze an die österreichischen Habsburger. Diesen oblag nun die Verteidigung des Abendlandes, in dessen Zentralraum die Christenheit sich konfessionell zu spalten begann. Nach einer rund 150 Jahre währenden Herrschaft über den Großteil Ungarns scheiterten die Türken an der Belagerung Wiens und erlitten 1683 in der Schlacht am Kahlenberg jene Niederlage, die sich als eine politisch-kulturelle „Wende“ für ganz Ostmittel- und Südeuropa erweisen sollte.
1686 setzte bereits die Besiedlung Ofens (Buda, Teil des heutigen Budapest) und des Ofener Berglandes durch deutsche Bauern und Handwerker ein und 1689 erließ Kaiser Leopold I. das erste Ansiedlungspatent zur Wiederbevölkerung des Erbkönigreichs Ungarn. Nach dem Siege Prinz Eugens bei Zenta 1697 über die Türken griffen diese in den Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714), eine krisenhafte Zeit für Österreich, nicht ein.
Als jedoch das neugestärkte Osmanische Reich erfolgreich die Republik Venedig angriff, sah sich Österreich gefährdet und begann 1716 unter Führung des Prinzen Eugen jenen siegreichen Türkenkrieg, der nach Eroberung von Temeswar und Belgrad 1718 mit dem Frieden von Passarowitz (Pozarevac) endete.
Schlacht bei Zenta Monumentalgemälde 4x7m von dem donau-schwäbischen Maler Franz Eisenhut. Das Gemälde befindet sich im Ratssaal der Stadt Sombor.
Durch ihn wurde die Herrschaft der habsburgischen Kaiser über Westungarn, das Banat, die Batschka, Syrmien und Teile Bosniens abgesichert. In der Folge forderten die ungarischen Stände auf dem Landtag von Preßburg 1722/23 Kaiser Karl VI. auf, „freie Personen jeder Art“ in das Land zu rufen und mit entsprechenden Patenten in seinen Erblanden und im Reich zu werben. Fortab bemühten sich die habsburgischen Herrscher Karl VI. (1711-1740), seine Tochter Maria Theresia (1740-1780) und deren Sohn Josef II. (1780-1790), das verödete und schwach besiedelte Land wieder zu bevölkern und eine wirtschaftlich sich selbst erhaltende „Vormauer der Christenheit“ zu errichten. Sie riefen zwischen 1722 und 1787 Kolonisten ins Land.



Maria Theresia 1717-1780
Kaiser Joseph II. 1741-1790
Kaiser Karl VI. 1685 – 1740
Der Donauraum wird Habsburger Land
Als nach dem Sieg der kaiserlichen Truppen am Kahlenberg 1683 gegen die Türken und der nachfolgenden Eroberung Ofens und Pests der gesamte Donauraum „habsburgisch“ wurde, bestand die Notwendigkeit, ein riesiges, aber verwüstetes und nur sehr dünn besiedeltes Gebiet an mitteleuropäische Zivilisationsverhältnisse anzupassen.
Zunächst galt es, die neu eroberten Gebiete durch die sog. Militärgrenze abzuschirmen. In einem von Kroatien bis Siebenbürgen reichenden Grenzwall wurden meist serbische und kroatische Wehrbauern angesiedelt, in den Städten, Sitzen der kaiserlichen Zivil- und Militärverwaltung, ließen sich aber bereits viele deutsche Handwerker nieder.
Als zweiter Schritt erfolgte die eigentliche Ansiedlungsaktion. Kaiserliche Werber machten v. a. im Südwesten des Reiches die in Patenten zusammengefassten Siedlungsbedingungen bekannt: sechs oder zehn Jahre Steuerfreiheit, Aufhebung der Leibeigenschaft, Bereitstellung der notwendigen Arbeitsgeräte, ein eigenes Haus sowie Grund und Boden als Eigenbesitz. Die Siedlungswilligen sammelten sich in Ulm, fuhren von hier mit den „Ulmer Schachteln“ oder „Kelheimer Plätten“ die Donau hinab, wurden in Wien von der Kais. Hofkammer registriert und unter deren Betreuung vor allem im Banat oder in der Batschka angesiedelt. Viele Kolonisten ließen sich von privaten Grundherren anwerben und brachten deren Güter im ungarischen Mittelgebirgsgebiet, in der „Schwäbischen Türkei“ oder im Raum Sathmar wieder in die Höhe.
Der große Schwabenzug
So kamen in drei „Großen Schwabenzügen“ (1723-1726; 1763-1771; 1784-1787) und in einer Reihe kleinerer etwa 150 000 Deutsche in die nördlich des Plattensees gelegenen Gebiete des ungarischen Mittelgebirges, in die südlich des Plattensees gelegene „Schwäbische Türkei“ (Komitate Baranya, Somogy und Tolna), in das Banat, die Batschka, Syrmien, Slawonien und in das in Nordostungarn liegende Sathmar-Gebiet.
Die südliche Grenze der Kolonisation bildeten die Flüsse Sawe und ab Belgrad in östlicher Richtung die Donau. Die Kolonisten stammten aus dem Elsaß, aus Lothringen, aus der Pfalz, aus Baden und Schwaben, zu geringeren aus Teilen aus Rheinfranken, Bayern, Österreich und Böhmen, sporadisch auch aus dem Westphälischen.
Von einer Tendenz zu „germanisieren“ kann bei den Siedlungsaktionen Österreichs keine Rede sein. Es waren entsprechend den Lehren des Merkantilismus und etwas später des Physiokratismus stets Gründe der gesamtstaatlichen Zweckmäßigkeit, der wirtschaftlichen wie der militärischen Staatsräson, die zur Berufung von Bauern, Handwerkern, Beamten, Facharbeitern und Kaufleuten aus den Territorien des Reiches und der österreichischen Erblande führten. Zudem wurden neben den Deutschen auch ungarische, ruthenische und slowakische Bauern angesiedelt und, besonders im Banat, Serben und Rumänen aus dem türkisch dominierten Grenzland aufgenommen sowie Italiener, Franzosen und Spanier als Spezialarbeiter sesshaft gemacht.
Die Einwanderer erwartete in der sumpfigen Tiefebene und in den Schmelzbetrieben des Banater Berglandes während der Frühphase ein hartes Arbeitsleben. Entbehrungen und Seuchen ließen ganze Familien aussterben. Den neuen Bauern war aber der Übergang von der ungeordneten Feldgraswirtschaft und der Haltung halbwilder Herden zu einem effizienten Ackerbau ebenso zu danken wie den neuen Bürgern der Wiederaufbau der Städte und die Bildung eines gewerblichen Mittelstandes. Es entstand so die „Kornkammer der Monarchie“.

Deutsche Ansiedler im unteren Donauraum XVIII. Jahrhundert (nach einem Ölgemälde von Stefan Jäger)
Siedlungsgebiete der Donauschwaben
Das 19. Jh. war gekennzeichnet von einer überaus positiven wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung und biologischen Erstarkung der donauschwäbischen Dorfgemeinschaften und einer starken Tendenz des städtischen deutschen Bürgertums, sich vom erstarkenden Madjarentum assimilieren zu lassen.
Der Madjarisierungsdruck verstärkte sich nach der staatsrechtlichen Gleichstellung Ungarns mit der österreichischen Reichshälfte im sog. „Ausgleich“ 1867. Diese Umstände verwehrten den Donauschwaben die Heranbildung einer eigenständigen geistigen Führungsschicht und die Ausbildung eines starken politischen Bewusstseins. Erst 1906 gelang Dr. Ludwig Kremling die Gründung der „Ungarländischen Deutschen Volkspartei“ und erst ab dieser Zeit entfalteten die historischen Heimatromane Adam Müller-Guttenbrunns ihre erweckende Kraft.
Obwohl von etwa 1880 bis 1910 rund 200 000 Donauschwaben aus wirtschaftlichen Gründen nach Übersee ausgewandert waren, lebten 1910 beispielsweise rund 390 000 Deutsche in 130 Gemeinden des Banates (23 Prozent der Bevölkerung), 190 000 in 44 Dörfern der Batschka (24,5 Prozent), 150 000 in der Schwäbischen Türkei (35 Prozent), 126 000 in Slawonien und Syrmien (11 Prozent) sowie 80 000 in Budapest (9 Prozent).
Die nach dem I. Weltkrieg im Vertrag von Trianon (4. Juni 1920) erzwungene Reduzierung Ungarns auf 31 Prozent seines Kernlandes ergab auch eine Dreiteilung des Siedlungsgebietes der rund 1,5 Millionen Donauschwaben auf die Nachfolgestaaten der Donaumonarchie. Das Ostbanat und Sathmar fielen an Rumänien, das Westbanat, die Batschka, das südliche Baranya-Dreieck, Syrmien und Slawonien an das neuentstandene Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS-Staat, ab Oktober 1929: Jugoslawien), die restlichen Siedlungsgebiete blieben bei Rumpfungarn.
Die Donauschwaben des vormaligen Jugoslawien
Neben den etwa 510 000 in der heutigen Wojwodina und im heutigen zu Kroatien gehörenden Slawonien lebenden Donauschwaben gerieten etwa 70 000 Altösterreicher aus der nunmehr von den Slowenen annektierten Untersteiermark und aus Oberkrain sowie etwa 20 000 Gottscheer unter das südslawische Regime. Nationalromantische Impulse, Erfahrungen mit andersnationalen politischen Bewegungen sowie der wachsende Überfremdungsdruck zeitigten ein erwachendes Selbstbehauptungsstreben und führten 1920 zu Gründung des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes, dessen Devise neben „Heimat, Muttersprache, Väterglaube“ auf „Staatstreu und volkstreu“ lautete und der dennoch einem dreimaligen zeitweiligen Verbot ausgesetzt war. Bei den einigermaßen freien Wahlen zum jugoslawischen Parlament gewann die 1922 gegründete „Partei der Deutschen“ 1923, 1925 und 1927 je acht, fünf und sechs Mandate. Sie wurde aber wie alle anderen national orientierten Parteien 1929 bei der Errichtung der Diktatur König Alexanders I. verboten.
Die Minderheitenschutzbestimmungen bekamen keinen Verfassungsrang. Die während des Weltkrieges getätigten Kriegsanleihen wurden vom Staat seinen neuen Bürgern gegenüber nicht eingelöst. Im Rahmen der Bodenreform wurde Grundbesitz nur an Slawen, nicht aber an ebenso bedürftige Donauschwaben zugeteilt. Diese bekamen bis 1940 keine deutschsprachigen Gymnasien, und Elementarschulen mit deutscher Unterrichtssprache nur, wenn dreißig deutsche Kinder pro Klasse vorhanden waren. Sie waren von der staatlichen und kommunalen Beamtenlaufbahn ausgeschlossen und durften im behördlichen Umgang nicht ihre Muttersprache, sondern ausschließlich die serbokroatische Staatssprache benutzen. Namentlich das vergebliche Ankämpfen der nationalkonservativen Kulturbundführung und der donauschwäbischen Politiker gegen diese Diskriminierungen führte zum Aufkommen einer unter nationalsozialistischem Einfluß stehenden Erneuerungsbewegung, deren gemäßigte Kräfte 1939 auf Druck aus Berlin die Führung im Kulturbund übernahmen.
Nach dem Putsch serbischer, mit Frankreich und England sympathisierender Generäle Ende März 1941 in Belgrad, der den von der Regierung eben erst unterzeichneten Beitritt Jugoslawiens zum „Dreierpackt“ der Achsenmächte (Achse Rom-Berlin-Tokio) hinfällig machte, griffen Deutschland und seine Verbündeten Jugoslawien an, zwangen es zur Kapitulation und teilten es auf. Die Donauschwaben wurden nochmals dreigeteilt und zudem von Staats wegen verpflichtet, in den Wehrverbänden Deutschlands und/oder seiner Verbündeten zu dienen. In der Folge projizierten die im jugoslawischen Raum ab Mitte 1941 auf Geheiß der Kommunistischen Internationale operierenden kommunistischen Partisanen ihren Haß auch auf die Donauschwaben, und ihr „Antifaschistischer Rat der nationalen Befreiung Jugoslawiens“ (AVNOJ) beschloß 1943 und 1944 deren völlige Enteignung und Eliminierung als angebliche „Volksfeinde“.
Von den 510 000 Donauschwaben, die bei Kriegsbeginn in Jugoslawien lebten, konnten Ende 1944 vor dem Einmarsch der Sowjets und der Machtübernahme der Partisanen etwas über die Hälfte der Zivilpersonen flüchten bzw. evakuiert werden. Aus Syrmien und Slawonien über 90 Prozent, aus der Batschka und dem Baranja-Dreieck rund die Hälfte und aus dem westlichen Banat nur etwa 15 Prozent. Über 90 000 befanden sich bei den Soldaten, so dass rund 195 000 Zivilpersonen unter das kommunistische Schreckensregime Titos kamen.
Über 8000 Frauen zwischen 18 und 35 Jahren und über 4000 Männer zwischen 16 und 45 Jahren wurden zur Jahreswende 1944/1945 in die UdSSR zur Zwangsarbeit deportiert. 2000 von ihnen gingen bis 1949 zugrunde. Über 7000 Zivilpersonen, fast durchwegs angesehene Männer unter 60 Jahren, wurden im sog. „Blutigen Herbst 1944“ durch lokalen kommunistische Instanzen, durch die Staatspolizei (OZNA) und durch eigene Partisanen-Kommandos („Aktion Intelligenzija“) meist grausam getötet.
Fast alle anderen 170 000 wurden enteignet und entrechtet und in Arbeits- sowie acht Konzentrationslager für Betagte, Kranke, Kinder (unter 14 Jahren) sowie Mütter mit (bis zu zwei Jahre alten) Kleinkindern interniert. 50 000 von ihnen sind innerhalb von drei Jahren durch Hunger, Seuchen und Erschießungen umgekommen, während 35 000 unter Lebensgefahr aus den Lagern über die nahen Grenzen nach Ungarn und Rumänien entkommen konnten. Ab 1946 wurden Tausende Kinder, denen ihre im Lager befindlichen Familienangehörigen oder sonstigen Betreuungspersonen weggestorben waren, zwangsweise aus den Lagern in Kinderheime verbracht und der Slawisierung unterworfen. Viele von ihnen konnten nach 1950 durch das Internationale Rote Kreuz nicht mehr ausfindig gemacht und Anverwandten zugeführt werden und leben heute völlig assimiliert in einem der Nachfolgestaaten des vormaligen Jugoslawien.
Der Leidensweg der Donauschwaben forderte insgesamt mindestens
60.000 Ziviltote, d. h. fast jeder/jede Dritte der in der Heimat Verbliebenen wurde Opfer des kommunistischen Regimes.
1948 wurden die Lager aufgelöst. Die noch rund 80.000 Überlebenden des Völkermords mussten dreijährige Arbeitsverträge eingehen und konnten sich erst in den 50er Jahren unter Erlegung eines hohen „Kopfgeldes“ loskaufen und nach Deutschland oder Österreich, in der Regel völlig mittellos, ausreisen.
Nach Auflösung der Lager 1948*
von Herbert Prokle
In den ersten Monaten des Jahres 1948 wurden die Lager für deutsche Zivilpersonen in Jugoslawien aufgelöst. Auch die volksdeutschen Kriegsgefangenen wurden im Laufe des Jahres aus der Kriegsgefangenschaft entlassen (die reichsdeutschen Kriegsgefangenen wurden allmählich nach Hause geschickt). Es ist allerdings ein schwerwiegender Irrtum, von „Freilassung“ der Volksdeutschen zu sprechen. Die überlebenden, früheren jugoslawischen Staatsbürger deutscher Volkszugehörigkeit, gleichgültig ob Zivilisten oder ehemalige Soldaten, wurden 1948 zwar formell aus den Lagern „entlassen“; die ganz große Mehrheit aber wurde direkt und ohne Mitspracherecht in Zwangsarbeitsverhältnisse überführt, an fremden Orten, die sie nicht verlassen durften. Aus den Lagersklaven wurden 1948 also nicht freie Bürger, sondern Verbannte.
Die Auflösung der Internierungslager 1948 mit gleichzeitiger Überstellung der Insassen an ihre neuen Zwangsaufenthaltsorte war ganz offensichtlich eine zentral geplante und gelenkte Aktion. Ein einheitliches, vorgedrucktes Formular wurde verwendet, mit dem die jeweilige Lagerverwaltung den einzelnen Internierten ihre ordnungsgemäße Entlassung aus dem Lager bescheinigte, allerdings gebunden an die Zwangseinweisung in ein mehrjähriges Arbeitsverhältnis an einem Zwangsaufenthaltsort.
Die Aktion zur Überführung in Zwangsarbeitsverhältnisse begann eigentlich schon Ende 1947. Da wurden Familien (in der Regel Frauen mit Kindern, da die Männer irgendwo in Kriegsgefangenschaft waren) mit jungen Männern ab 16 Jahren ausgesucht, die man in Bergwerke (Kohle, Erze) verschickte, um die allmählich zu entlassenden reichsdeutschen Kriegsgefangenen zu ersetzen. Dass die jungen Männer in diesen Fällen entscheidend waren, ist auch daran zu erkennen, daß sie im Entlassungsschein, wenn auch noch minderjährig, als die entlassene Person genannt werden, „mit folgenden Familienangehörigen“ (Eltern, Geschwister). Interessant ist auch, daß Ende 1947 die offiziellen Vordrucke für die „Entlassung“ offensichtlich noch nicht zur Verfügung standen. Es wurden maschinengeschriebene Kopien verwendet. Der Text ist zwar nicht identisch mit den späteren, gedruckten Formularen, aber sinngemäß gleich.
Wie nicht anders zu erwarten, folgt der Formulartext der offiziellen jugoslawisch-kommunistischen Sprachregelung, die das wahre Ausmaß der jugoslawischen Verbrechen grundsätzlich verschleierte. So wird nicht der zutreffende und damals auch vom gesamten serbischen Volk gebrauchte Begriff „Logor“ („Lager“ und analog die „Logoraschen“) verwendet, sondern „Arbeitssiedlung“. Solche Verfälschungen der historischen Tatsachen waren schon am Anfang der systematischen ethnischen Säuberung im „blutigen Herbst 1944“ üblich. So wurden z. B. die in Ernsthausen in einer unvorstellbaren Blutorgie lebend zerhackten 39 deutschen Männer als „an Typhus verstorben“ registriert. Die im Liquidierungslager „Alte Mühle“ in Großbetschkerek monatelang bestialisch gefolterten und ermordeten deutschen Männer wurden im Lagerregister grundsätzlich als „verstorben“ eingetragen.
Dass es sich keineswegs um eine Freilassung handelte, geht aus dem Formulartext unmissverständlich hervor. Der künftige Arbeitgeber wird vorgeschrieben, die Zwangsverpflichtung gilt für mehrere (in der Regel drei) Jahre, der Arbeits-Wohnsitz darf nicht verlassen werden. Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit wird noch unterstrichen durch den Hinweis, daß der Betroffene keinen Personalausweis erhält. Hinzu kam, daß man ohne staatliches Arbeitsbuch in Jugoslawien nirgends eine Arbeit erhalten konnte. Das nach der Entlassung aus dem Lager für sie angelegte Arbeitsbuch wurde den Zwangsverpflichteten aber in der Regel erst nach „ordnungsgemäßer“ Erfüllung des Arbeitsvertrages ausgehändigt. Ob das der Fall war, entschied der Zwangsarbeitgeber. In manchen Fällen (wo Arbeitskräfte fehlten, besonders in Bergwerken) wurde am Ende der drei Pflichtjahre die Herausgabe des Arbeitsbuches mit dem Argument verweigert, der Vertrag wäre nicht ordnungsgemäß gekündigt worden, so daß die Betroffenen eine weitere Vertragsperiode an den Zwangsarbeitsplatz gebunden blieben.
Einige wenige Lagerinsassen wurden in ihre früheren (städtischen) Heimatorte entlassen. Sie arbeiteten als Schneiderinnen oder Köchinnen in staatlichen Betrieben, manche auch als Hausangestellte bei serbischen Familien. Von ihrem Besitz erhielten sie selbstverständlich nichts zurück, so daß die Quartiersuche das größte Problem darstellte. Glück hatten diejenigen, die bei vom Lager verschonten Verwandten (Mischehen) aufgenommen wurden. Gerade in den alten Heimatorten mussten die Rückkehrer zudem noch stark unter Diskriminierung und Deutschenhass leiden.5
Familienangehörige, die zusammen in einem Lager waren, wurden in der Regel auch gemeinsam in ein Arbeitsverhältnis überführt. Da aber viele Familien getrennt in verschiedenen Lagern (für Zivilisten aber auch für Kriegsgefangene) waren, wurden sie bei Auflösung der Lager auch in getrennte Arbeitsverhältnisse verbracht. Eine spätere Familienzusammenführung war eine mühsame, langwierige Prozedur, die nur mit behördlicher Genehmigung möglich war. Wo das gelang, wurde der gemeinsame Arbeitsort dann auch gemeinsamer Zwangswohnsitz.
Die meisten alten und arbeitsunfähigen Menschen hatten die ab 1945 extra für sie errichteten „Lager mit Sonderstatus“ (Vernichtungslager) nicht überlebt. Trotzdem gab es bei Auflösung der Lager 1948 alleinstehende Alte, die in kein Arbeitsverhältnis mehr eingewiesen werden konnten (in Rudolfsgnad, dem letzten verbliebenen Vernichtungslager, etwa 750 Personen). Für sie wurden zuerst in Karlsdorf und ab Oktober 1948 auch in St. Georgen an der Bega „Altersheime“ errichtet. In Karlsdorf war das ein ehemaliges Lagerhaus des Alibunarer deutschen Fliegerhorstes, primitiv aber doch ein großer Fortschritt gegenüber dem Lager. Nach und nach wurde es von den Insassen selbst verbessert, jeder erhielt sein Bett, sie konnten sich reinigen und auch das Ungeziefer vernichten. In einer kleinen Baracke installierten sie ein Krankenhaus mit Ambulanz und Apotheke. Die karge Lebensmittelzuteilung wurde durch Gemüse aus dem eigenen Garten ergänzt. So hatten die alten Lagerüberlebenden einen zwar sehr bescheidenen, aber doch einigermaßen menschlichen Lebensabend.
Erst nach Ablauf der Zwangsverpflichtung (in der Regel drei, manchmal zwei Jahre) wurde die Verbannung aufgehoben, d. h. also erst ab Anfang der 1950-er Jahre durften diese Menschen sich wieder frei in Jugoslawien bewegen, theoretisch auch den Wohnort wechseln. Wo aber hätten sie hingehen sollen? Ihr gesamter Besitz war enteignet worden, in ihren ehemaligen Häusern wohnten jetzt fremde Kolonisten, in ihren früheren Heimatorten waren sie weder willkommen noch hätten sie Arbeit gefunden. Das war nicht mehr ihre Heimat. So blieben die
meisten nach Ablauf der Zwangsverpflichtung erst mal an den zugewiesenen Wohn- und Arbeitsorten Sie erhielten nun aber ihre Papiere, wie Arbeitsbescheinigungen, Arbeitsbuch und Personalausweis.
Nach Ablauf der mehrjährigen Zwangsverpflichtung wurde den ethnisch Deutschen auch die jugoslawische Staatsangehörigkeit zurückgegeben, ja geradezu aufgedrängt. Die Prozedur war ganz einfach: Man brauchte sich nur in die Wählerliste eintragen zu lassen. Für den Fall der Zustimmung wurde den Menschen Freizügigkeit im ganzen Land (Arbeitsplatz, Wohnort) sowie die Zuweisung einer Wohnung versprochen. Wer sich weigerte, wurde massiv bedroht (mit erneuter Einkerkerung in Lager und dergleichen). Viele gaben dem Druck nach, nicht wenige wurden ungefragt eingetragen. Wie sollten sie sich wehren, sie waren ja immer noch rechtlos? Die wenigen, die eisern Widerstand leisteten, erhielten dann als erste Ausreisegenehmigungen und brauchten sich von der jugoslawischen Staatsangehörigkeit nicht loszukaufen, da sie ja „staatenlos“ waren. Also aus der Sicht der Betroffenen keine Bestrafung, sondern eine doppelte Belohnung!
Die (vorzugsweise in die Bergwerke verbannten) jungen Männer deutscher Volkszugehörigkeit wurden zum Ablauf der Zwangsarbeitsverpflichtung nahtlos mit der jugoslawischen Staatsangehörigkeit „beglückt“ und im Gegenzug sofort zum jugoslawischen Militär eingezogen. Das Vorliegen der Einberufung genügte, um Ausbürgerungsgesuche auszuschalten. So blieb den jungen Männern nichts anderes übrig, als die zweijährige Dienstpflicht abzuleisten – jede Weigerung hätte als Fahnenflucht gegolten.
Anfang der 1950-er Jahre verbreitete sich unter den deutschen Überlebenden des jugoslawischen Völkermordes die Nachricht, daß man legal nach Deutschland auswandern konnte. Das war mit ganz wenigen Ausnahmen natürlich erst nach Ablauf der Zwangsarbeitsverpflichtung möglich; wer vorher schon versuchte das Land ohne Ausreisegenehmigung zu verlassen und gefasst wurde, wurde als „flüchtiger Gefangener“ betrachtet und verurteilt. Auch das zeigt deutlich, daß die aus den Lagern „entlassenen“ deutschen Volkszugehörigen keine freien Menschen waren, sie hatten keinerlei Recht auf Selbstbestimmung.
Erster Schritt zur legalen Auswanderung war eine deutsche Einreisegenehmigung, die nicht immer schnell zu erhalten war. Mit einem positiven deutschen Bescheid konnte die Prozedur zur Löschung der jugoslawischen Staatsangehörigkeit eingeleitet werden. Da gab es oft willkürliche Verzögerungen der jugoslawischen Behörden und am Ende musste noch ein hoher Preis bezahlt werden, um die eben erst zurückerhaltene Staatsbürgerschaft wieder loszuwerden.
Oft wird – halb verwundert, halb kritisch – gefragt, wieso unsere Landsleute erst Jahre nach Auflösung der Lager aus Jugoslawien aussiedelten. Tatsache ist, daß sie dieses Land nach allen traumatischen Erlebnissen liebend gerne früher verlassen hatten, aber das lag nicht in ihrem Ermessen. Sie warteten auf den Ablauf der Zwangsarbeitsverträge, auf das Ende der Militärdienstzeit von Söhnen und Brüdern, auf die Einreisebewilligung nach Deutschland, das Ansparen der hohen Gebühren für den Loskauf von der jugoslawischen Staatsbürgerschaft und die Ausreiseerlaubnis aus Jugoslawien. Diese Faktoren bestimmten den jeweiligen Ausreisetermin von etwa 70.000 deutschen Volkszugehörigen im Jahrzehnt 1950/1960.
Das war der letzte Akt der „ethnischen Säuberung“ Jugoslawiens von seinen ethnisch deutschen Bürgern. Im heutigen Serbien und Kroatien zusammen leben max. noch 10.000 Donauschwaben (vorwiegend in Mischehen), in Slowenien etwa 1.500 Altösterreicher.
Von den rund 425.000 geflüchteten sowie Lager, Deportation Krieg und Kriegsgefangenschaft Überlebenden Donauschwaben haben 300.000 in Deutschland, 70.000 in Österreich, 25.000 in USA, 10,000 in Kanada und der Rest in Brasilien, Argentinien, Australien, Ungarn und anderen Ländern eine neue Heimat gefunden. In Deutschland, Österreich, USA und Kanada schufen sie ihre Landsmannschaftlichen Dachorganisationen. 1954 Übernahm das Bundesland Baden-Württemberg die Patenschaft Über die Donauschwaben in Deutschland.
*) Eine ausführliche Darstellung dieses Themas enthält das Buch Der Weg der deutschen Minderheit Jugoslawiens nach Auflösung der Lager /948 von Herbert Prokle, erschienen 2008 im Verlag der Donauschwäbischen Kulturstiftung, München.
Gedenkstätten
Für die Opfer von Flucht, Vertreibung und der in den Arbeits- und Vernichtungslagern umgekommenen Zivilpersonen
von Hans Supritz
Die Überlebenden von Flucht, Vertreibung und der Vernichtungslager, die infolge des Zweiten Weltkrieges buchstäblich in die ganze Welt zerstreut wurden, mussten fast 60 Jahre lang warten, um an den Orten des Grauens und Sterbens ihren Angehörigen die letzte Ehre erweisen zu können.
Lange blieben die Massengräber, meist an den Rändern der Arbeits- und Sterbelager, ohne Grabhügel und Kreuz; sie waren vom kommunistischen Staat Jugoslawien unzugänglich gemacht worden und viele von ihnen wurden von Bulldozern eingeebnet um sie später zu überbauen.
Doch im laufe der Zeit wuchs, nicht zuletzt auch durch die Beharrlichkeit der donauschwäbischen Erlebnisgeneration in ihrer christlichen Pflichterfüllung, das Verständnis bei der heutigen Bevölkerung in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens für den Wunsch, den Toten ehrende Andenken errichten zu dürfen um dort, wo ihre Lieben ihre letzte Ruhe fanden, eine Kerze anzünden und ein Gebet verrichten zu können.
Es war das gemeinsame christliche Fundament, das nach der Beseitigung des kommunistischen Regimes, die Versöhnung über den Gräbern ermöglichte und damit auch die Begegnung der ehemaligen Nachbarn und ihrer Nachkommen.
Heute, im Jahre 2008 können wir mit großer Befriedigung feststellen, dass diese Begegnungen vielerlei Früchte tragen.
Der feste Wille, die leidvolle Geschichte gemeinsamen in einem offenen und ehrlichen Dialog aufzuarbeiten und gemeinsam das freiheitliche Europa mitzugestalten zu wollen, sind ein Teil dieser Früchte.
Dazu gehört auch die Errichtung von Gedenk- und Mahnstätten und die Erhaltung und Pflege von ehemals deutschen Friedhöfen und Kulturgütern wie z. B. Kirchen.
Die erste Gedenktafel, der eine Gedenkstätte folgte, wurde schon im Jahre 1997 an einem der größten Massengräber für donauschwäbische Zivilpersonen, Kinder Mütter und Greise, in Rudolfsgnad/Knicanin, heute Serbien, aufgestellt.
Ihr folgten die Gedenkstätten in Krndija/Kerndia (1999) und Valpovo/Walpach (2003), heute Kroatien, Gakowa/Gakovo (2004), Kikinda (2002) und Kruschiwl/Krusevlje (2005), heute Serbien.
Für eine weitere Gedenkstätte, in Mitrowitz/Sremska Mitrovica, heute Serbien, steht die zur Einweihung am 20. September 2008 an und die Gedenkstätte in Jarek/Backi Jarak, heute Serbien, ist in der Planungsphase und soll in 2009 fertig gestellt werden.
Viele Friedhöfe wurden wieder hergerichtet und dort, wo die Friedhöfe nicht mehr bestehen, wurden zum Teil Gedenktafeln und Gedenksteine errichtet. Aber auch auf Plätzen, von denen man lange nicht wusste, dass dort die im Herbst 1944 auf grauenvolle Weise umgebrachten donauschwäbischen Frauen und Männer verschart wurden, wie z. B. in Mramorak, heute Serbien, wo jetzt mit einer kürzlich errichteten Gedenkstätte ihrer gedacht wird.
Gedenkstätten in der „Alten Heimat“ können nur im Einvernehmen und mit nachhaltiger Unterstützung der heutigen Bevölkerung errichtet und erhalten werden und dies ist durchweg auch geschehen. Die auf diesem Wege geschlossenen Freundschaften werden intensiv gepflegt und tragen bereits das Prädikat der gegenseitigen Besuche. Die Nachkommen auf beiden Seiten zeigen ein starkes Interesse, diese Kontakte aufrecht zu erhalten und zu pflegen.
Gedenkstätten sind in erster Linie ehrende Andenken an die Toten. Sie haben aber auch die Aufgabe fortdauernde Signale an die jüngere Generation zu senden dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder geschehen darf!
Gedenkstätten in Serbien und Kroatien



Kerndia/Krndija in Kroatien
Walpach/Valpovo in Kroatien
Rudolfsgnad/Knicanin /Serbien



Jarek/Jarak/Serbien
Gamow/Gakovo/Serbien
Kikinda/Kikinda/Serbien



Kruschiwl/Krusevlje/Serbien
Mitrowitz / Mitrovica/Serbien
Molidorf /Molin/Serbien
Das Ahnen-Auswanderer-Denkmal der Donauschwaben am Donauschwabenufer in Ulm
Die Entstehung des Denkmals
In einer Kreisvorstandssitzung der „Arbeitergemeinschaft der Deutschen aus dem Südosten“ im Jahre 1955 in Ulm/Donau beantragte der damalige Kreisvorsitzende für die Donauschwaben, Franz Helfrich, der Errichtung eines Ahnen-AuswandererDenkmals in Ulm zuzustimmen. Dem Antrag wurde von den Delegierten stattgegeben.
Bald darauf richteten Franz Helfrich und Edmund Jäckel an den Oberbürgermeister der Stadt Ulm, Theodor Pfizer, ein Schreiben, in dem sie auf die Geschichte und das Schicksal der Donauschwaben hinwiesen und dann die Bitte aussprachen:
‚.Diese geschichtliche Tatsache wollen wir, die wir nun nach 250 Jahren durch unsere Vertreibung bzw. Aussiedlung aus unserer angestammten Heimat in die Urheimat unserer Ahnen zurückgekehrt sind, zum Anlass nehmen und in der Stadt, wo unsere Ahnen den letzten Segen für die große Reise ins Ungewisse bekamen, ein Ahnen-Auswandererdenkmal errichten. Voraussetzung für die Verwirklichung dieses Vorhabens ist natürlich das wohlgesinnte Einverständnis seitens der Stadt Ulm.“
Verhältnismäßig schnell stimmten der Oberbürgermeister und der Stadtrat dem Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft zu. Bald darauf wurde das Denkmalprojekt von der Stadt im Wettbewerb ausgeschrieben. Das Denkmal hatte die Verbindung der Stadt Ulm mit den Donauschwaben und den geschichtlichen Werdegang darzustellen. Schlusstermin des Preisausschreibens war der 31. August 1956.
Eingereicht wurden 21 Entwürfe. Die Jury der Oberbürgermeister Theodor Pfizer, Museumsdirektor der Stadt Ulm, Dr. Herbert Pee, Bildhauer Gottlieb Kottmann, Landesvorsitzender der Landsmannschaft der Donauschwaben in Baden-Württemberg, Jakob Wolf und Kreis-vorsitzender Franz Helfrich angehörten, hatte den Entwurf des Künstlers Erich Koch, geboren in Rossbach/Pfalz, wohnhaft in München, mit dem 1. Preis bedacht. Kochs Entwurf kam zur Ausführung.
Unter dem 12. Oktober 1955 wurde ein Aufruf zur Spende an die Deutschen aus dem Südosten gerichtet. Die Spendeaktion erbrachte in der Zeit vom 12. Oktober 1955 bis 22. November 1958 den Betrag in Höhe von 33 520,66 Mark. Bei der symbolischen Grundsteinlegung für das Ahnenauswanderer-Denkmal 1956 in Ulm hat Kreisvorsitzender Helfrich Erde mit den Worten ausgestreut: „Alte Heimaterde, vermähle dich mit der neuen Heimaterde!“
Die Enthüllung des Denkmals
An der Einweihung und Enthüllung des Ahnendenkmals am 9. August 1958 in Ulm nahmen etwa 6 000 Landsleute und Freunde teil. Es war ein herrlicher Sommertag, heißt es in einem Bericht, als am Samstagmorgen am Donauufer eine stattliche Anzahl von hohen Gästen und Landsleuten sich zu der feierlichen Handlung der Denkmalenthüllung zusammengefunden hatte. Mit einem Bläserchoral hob die Feier an. Landsmann Franz Helfrich und Josef Werneth nahmen die Handlung der Enthüllung vor, worauf katholischerseits Pfarrer Neumann und evangelischerseits Pfarrer Ottmann ihre Weiheansprachen hielten.
Dann würdigte Oberbürgermeister Pfizer diese Tat und hob insbesondere die Verbundenheit der Donauschwaben mit der Stadt Ulm hervor. Zum Schluss sprach Jakob Wolf über die Bedeutung des Denkmals und unternahm die Deutung des Schicksals des donauschwäbischen Volksstammes. Im Anschluss daran fand die Ahnenfahrt auf der Donau statt, indem drei den seinerzeitigen Auswandererschiffen getreu nachgebildeten Fähren die Donau abwärts fuhren.
Tiefe Stille und Ergriffenheit bemächtigten sich der Anwesenden, als drei Männer dann von einem Kahn zum Gedenken an die alte Heimat und ihrer Toten mitten auf der Donau einen Kranz mit brennenden Kerzen den Wellen übergaben.
Diese Handlung vollzog sich unter den Klängen des Liedes vom guten Kameraden und dem Weihespruch des Heimatdichters Jakob Wolf, den ein Jugendlicher vortrug.
Die in das Denkmal eingemauerte Urkunde hat folgenden Wortlaut:
Von dieser Stelle aus zogen vor zweihundert Jahren, gerufen von den Kaisern Karl VI., Maria Theresia und Joseph II., tausende schwäbischer Bauern die Donau hinab nach Wien und von dort in die durch die Türkenkriege verödeten Ebenen zum unteren Donaulauf, um hier ein Werk der Kolonisation zu schaffen, von dessen Mühen und Entbehrungen das Wort zeugt:
„Die Ersten hatten den Tod, die Zweiten die Not, die Dritten das Brot!“
Ihre mit der Pflugschar, nicht mit dem Schwert gegründete neue Heimat durchwirkten sie im Laufe der Generationen— den Nachbarn zum Vorbild — mit einer eigenständigen Kultur.
Aus den Wirren des Zweiten Weltkrieges aufbrechender Hass vernichtete diese blühenden Siedlungen: Die Donauschwaben wurden vertrieben und zerstreut, ihre Dörfer und Höfe verfielen. Fünfhunderttausend kehrten in die alte Heimat zurück und haben mit dieser Urkunde sich zu einer großen, friedlichen Leistung bekannt, die vor der Geschichte der Menschheit bestehen bleibt, auch wenn menschlicher Unverstand sie tilgte.
Diese Urkunde wurde in das Denkmal eingefügt, das die Nachfahren der einst von hier ausgezogenen Siedler an dieser Stelle errichtet haben.
Ulm, den 25. Juni 1958
Für die Donauschwaben: Jakob Wolf und Franz Helfrich. Für die Stadt Ulm: Oberbürgermeister Pfizer
Ulm ruft! – Gedenkfeier vor dem Ahnendenkmal
Unter der Losung „Ulm ruft!“ standen in den nachfolgenden Jahren zahlreiche Treffen und „Tage der Donauschwaben“ in der alten Reichsstadt an der Donau. Die Träger der Veranstaltungen wechselten sich zwar im Laufe der Jahre, doch die sich dem Donauschwabentum verpflichteten Organisationen und Gliederungen der Landsmannschaften bis hin zu den einzelnen Heimatortsgemeinschaften, neuerdings dank des Zustromes aus der Heimat auch die Banater Schwaben, fühlen sich stets hingezogen zu dem historisch erkannten Ausgangspunkt der Auswanderung im 18. Jahrhundert. Am Donauufer steht das Ahnendenkmal, eine Stätte der Erinnerung, der Besinnung und des ehrfurchtvollen Gedenkens. Ein Fest des besinnlichen Wiedersehens, aber auch eine Feier des mahnenden Gedenkens, war das große Donauschwabentreffen in Ulm anlässlich des 30 jährigen Bestehens des Ahnendenkmals am Donauufer und anlässlich der Enthüllung einer weiteren Gedenktafel an der Stadtmauer in unmittelbarer Nähe des Denkmals für die Ortschaften Gajdobra und Neu-Gajdobra. An der Feier nahmen zahlreiche Landsleute aus nah und fern, insbesondere aus Palanka, Gajdobra, Gakowa und Novo Selo, teil.
Gedenkrede des Bundesvorsitzenden Ludwig Brücker
anlässlich des 30 jährigen Bestehens des Denkmal
Bundesvorsitzender Brücker wies in seiner Gedenkrede auf die geschichtliche Vergangenheit hin und meinte, daß man am Ulmer Donauufer geradezu den Atem und den Pulsschlag der donauschwäbischen Geschichte verspüre. Da versinke für einen Augenblick das Bild der Gegenwart und die Blicke richteten sich auf Menschengruppen, die sich vor einfachen Schifflein, den Ulmer Schachteln, versammelt hätten, — teils hoffnungsfroh gestimmt, teils traurig und bedrückt, habe es doch gegolten, von der alten Heimat an Rhein, Saar, Main, Neckar und Donau für immer Abschied zu nehmen und die Fahrt in eine völlig fremde Welt. in eine ungewisse Zukunft, anzutreten.
Man dürfe die Worte nicht vergessen:
„Nicht mit dem Schwert, mit der Pflugschar erobert, Kinder des Friedens, Helden der Arbeit!“ (dieser Spruch von Stefan Augsburger, einem Donauschwaben, befindet sich auf der mittlerweile an der Stadtmauer angebrachten Ahnentafel der Ortsgemeinschaft Filipowa).
Die Kolonistenahnen hätten ihr Schicksal trotz Tod und Not gemeistert und aus einer Wüste ein blühend Eden geschaffen. Ein furchtbarer Krieg habe die Frucht der Arbeit von Generationen zerstört. „Und dann sehen wir im Geiste die Nachfahren der einstigen Kolonisten, den Elendstreck der Nachkriegszeit donauaufwärts ziehen, zurück in die Urheimat, in das Land der Urahnen. So finden wir unsere Donauschwaben, unsere Brüder und Schwestern, nach 1945 als entwurzelte, entrechtete und verstreute Notgemeinschaft, — eine Notgemeinschaft im Ringen um eine neue Existenz, im Bemühen, Seite an Seite mit den Heimatverbliebenen aus Ruinen neues Leben erstehen zu lassen. Mit Dankbarkeit und Stolz dürfen wir auf diese gemeinsame Leistung zum Wohle unseres Volkes und Heimatlandes zurückblicken.“
30 Jahre seien seit der Enthüllung des Ahnenauswandererdenkmals vergangen. Dies sei Anlass, den Initiatoren, Helfern, Spendern und Förderern Dank und Anerkennung auszusprechen. Brücker dankte mit warmen Worten den Oberbürgermeistern der Stadt Ulm, Pfizer, Lorenser und Ludwig, für die bisherige wohlwollende Zusammenarbeit und tatkräftige Unterstützung sowohl bei der Errichtung des Ahnendenkmals als auch bei allen Heimattreffen der Donauschwaben, die in Ulm stattgefunden haben. Er dankte allen Landsleuten. die sich bei der Errichtung des Denkmals, sei es durch ihre persönliche Initiative, sei es durch tatkräftige Mitarbeit und Spendenbereitschaft, verdient gemacht haben. Ein besonderes Dankeschön
sprach der Bundesvorsitzende der donauschwäbischen Jugend in Ulm aus. Ulm bleibe für die Donauschwaben eine Zuflucht, selbst unter wechselnden Bedingungen und Voraussetzungen.
„30 Jahre sind vergangen, geblieben sind die Aufgaben und Verpflichtungen der geschichtlichen Tradition der Donauschwaben, dem Werk der Ahnen und der schicksalhaften Verbundenheit der neuen Heimat gegenüber. Am Donauufer zu Ulm steht das Ahnendenkmal, das nicht bloß in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft weist. Jedes besinnliche Verweilen an dieser Gedenkstätte soll uns und unseren Nachfahren Mahnung, Verpflichtung und Auftrag sein! Möge das Denkmal an die Pioniertat der donauschwäbischen Siedler und an das schwere Schicksal ihrer Nachkommen erinnern, möge es aber auch ein Bekenntnis zur Charta der Heimatvertriebenen sein, in der auch die Donauschwaben auf Hass, Rache und Vergeltung verzichten.“
Brücker legte sodann unter den Klängen des Liedes vom guten Kameraden in Begleitung zweier Vertreter der Ulmer Jugendgruppe am Ahnenauswanderungsdenkmal einen Kranz nieder und gedachte der Ahnen und der Opfer des Krieges und der Vertreibung.
Nun sind es schon 50 Jahre seit der Enthüllung des Denkmals vergangen und die allermeisten der Initiatoren, Baumeister und Behüter sind schon lange nicht mehr unter uns. Ihr Erbe aber, das auf einem festen Fundament steht, wurde von den Nachkommen in Ehren gehalten und die Botschaft, die vom ersten Tage an von diesem symbolträchtigen Denkmal ausging, im Geiste der Ahnen weiter getragen.
Durch die Schaffung des vereinten Europa, zu dem sich auch die Donauschwaben mit ihrer Unterschrift in der Charta der deutschen Heimatvertriebenen verpflichtet haben, sind schon viele Grenzen friedlich gefallen und weitere werden noch fallen.
Die Völker Europas rücken zusammen und werden zu Nachbarn, was sie schon mal vor langer Zeit waren.
Ulm spielt dabei wieder eine zentrale Rolle. Die einstigen Nachbarvölker der Donauschwaben kommen jetzt nach Ulm und lassen mit ihrer kulturellen Vielfalt beim Internationalen Donaufest das Donauufer im europäischen Geist aufblühen.
Damit ist auch dem Ahnen-Auswanderer-Denkmal eine neue Bedeutung zugewachsen, weil das Donauufer ein Ufer der internationalen Begegnung, insbesondere auch für die Jugend, geworden ist. Brücker sagte schon bei der 30er Jubiläumsfeier, dass das Denkmal nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft weise. Er hat Recht behalten!
Das Denkmal zusammen mit den mittlerweile fast 20 Ortstafeln erzählt Geschichte. Es ist die die Geschichte der Donauschwaben.

Das Donauschwabenufer in Ulm, im Mai 2008 (Bild: Hans Supritz)
Das Denkmal trägt folgende Texte:
Von Ulm aus zogen deutsche Siedler im 18. Jahrhundert auf der Donau nach dem Südosten Europas. Ihre Nachfahren kehrten, vorn Schicksal nach dem Zweiten Weltkrieg aus ihrer Heimat vertrieben, in das Land ihrer Väter zurück.
Einige tausend überlebende Rückkehrer wanderten aus Not und Verzweiflung in andere europäische Länder und nach Übersee aus. So zerstreuten sich die Donauschwaben über die ganze Welt und wurden überall geachtete Bürger. Auch ihnen sei in Ehren gedacht.
Nur 10 Minuten vom Denkmal entfernt, befindet sich donauaufwärts das Donauschwäbische Zentralmuseum
mit dem die Geschichte der Donauschwaben, von der Ansiedlung an bis zum heutigen Tage, und auch für die Zukunft, in die Deutsche Geschichte für die Nachwelt eingefügt wurde.
So ist die Stadt Ulm heute, mehr denn je das, was sie schon immer war: „Die historische Hauptstadt der Donauschwaben“ Die Baumeister des Neuanfangs nach dem Zweiten Weltkrieg im Land der Ahnen, können mit den Erben, die den Nachlass nicht nur verwalten sondern auch geistig und kulturell vermehren, zufrieden sein.